Software Asset Management

Cloud Services – Das Ende von Software Asset Management?

 Zwei banale Feststellungen vorweg: Jedes Unternehmen, das mit Informationstechnologie arbeitet, nutzt in der Regel proprietäre Software, die mit Lizenzverpflichtungen verbunden ist. Und jeder Geschäftsführer, der die Kontrolle über Software und Lizenzverpflichtungen verliert, geht – sowohl für das Unternehmen wie für sich persönlich – beträchtliche Haftungsrisiken ein.

Diese Risiken sowie die Chance, den betrieblichen Software-Bestand zu rationalisieren, was Kostenoptimierung und Effzienzgewinne versprach, führten seit den 1990er Jahren zu einer immer professionelleren Verwaltung von Software-Lizenzen –Software Asset Management. Wer sich auf sein SAM verlassen konnte, musste nun nicht mehr in Hektik ausbrechen, wenn plötzlich ein Software-Konzern oder ein Wirtschaftsprüfer an die Tür klopfte und ein Audit durchführen wollte – was zuweilen empfindliche Strafzahlungen mit sich brachte.

Bis dann in Gestalt von Cloud Computing die große Erlösung kam – so jedenfalls erschien es vielen Beobachtern in den Anfangsjahren dieser Technologie: „Endlich keine Lizenzschwierigkeiten mehr“, „rechtlich unproblematischer Zugriff auf Cloud Services“. – Welch ein Irrtum!

Sicherlich, Cloud Computing ist ein unaufhaltsamer Trend. Immer mehr Unternehmen nutzen diese Technologie. Sie hilft durch Speicherkapazitäten und Rechenleistungen, die bedarfsgerecht und flexibel über das Internet abgerufen und nach jeweiliger Nutzung abgerechnet werden können, die betrieblichen IT-Kosten zu optimieren. Sie führt zu steigender Effizienz und stärkt die Innovationskraft: Weil die permanente und aufwendige Aktualisierung der eigenen IT entfällt, können sich insbesondere mittelständische Unternehmen auf ihr eigentliches Kerngeschäft konzentrieren; zugleich wird die Entwicklung neuartiger Geschäftsmodelle möglich, da über „embedded systems“ auch mittelständische Unternehmen ihre Produkte – Maschinen, Anlagen, Apparate usw. – mit Hilfe von Cloud Computing weltweit überwachen und steuern, ja sogar flexibel für neue Aufgaben umfunktionieren können – allesamt Entwicklungen, die zur Zeit unter der Bezeichnung „Industrie 4.0“ realisiert oder zumindest geplant werden.

Und dennoch, trotz Cloud Services bleibt das Software Asset Management unentbehrlich. Die folgenden, zum Teil miteinander verbundenen Faktoren machen klar, dass und warum gerade die Cloud Technologie alles andere, nur nicht das Ende von SAM bedeutet.

Gradueller Transfer: Je nach Branche und konkreten Umständen stehen Wirtschaftsunternehmen vor der Wahl, wie viel an lokaler IT sie aufrechterhalten und wie viel Cloud Services sie in Anspruch nehmen wollen. Cloud Computing ist – aus der Sicht der Unternehmen – zunächst ein gradueller Transferprozess: Niemandem bleibt die Entscheidung erspart, wo und inwieweit das Unternehmen standardisierte Services nutzt oder es bei der individuell zugeschnittene IT belässt; wo und inwieweit man möglicherweise eigene Kapazitäten aufbauen kann (Privat Cloud) oder aber fremde Kapazitäten nutzen will (Public Cloud).

Komplexe Mixturen von Eigen- und Fremdbetrieb (bis hin zu einer Hybrid Cloud) sind insbesondere für die mittelständische Wirtschaft charakteristisch. Daran wird sich schon aus Gründen der Datensicherheit auch in Zukunft nichts ändern. Zugleich stellen diese Mixturen das Software Asset Management vor neue Herausforderungen: Im traditionellen SAM hatte man es primär mit dem Life Cycle Management des betrieblichen Software-Bestands zu tun. Das heutige, zeitgemäße SAM muss die Transfers zwischen Eigen- und Fremdbetrieb und die Feinjustierung beider flexibel begleiten. Es muss auf die genutzten Cloud Services ausgedehnt werden, weil diese zu einem haftungsrelevanten Bestand werden können.

Software-Kompatibilität: Alle drei Basismodelle des Cloud Computing (Software, Infrastructue, Platform as a Service) setzen auf Seiten der Unternehmen Code-Installationen und andere Software-Elemente voraus, die ein kompatibles Zusammenspiel von Fremd- und Eigen-IT zu sichern haben. Bei SaaS-Lösungen sind dies zum Beispiel Browser-Plug-Ins, Applets oder aber ganze Programmpakete. Bei einem Audit hätte das Unternehmen deren vollständige Lizensierung nachzuweisen. (Nur nebenbei bemerkt: Alles dies betrifft infolge zunehmender Virtualisierung nicht allein die Hardware-basierte, sondern auch die Anwender- oder Nutzungs-basierte Lizensierung.) Wo mangels SAM solche Nachweise fehlen oder vertraglich vereinbarte Nutzungsbeschränkungen nicht eingehalten werden, drohen Schadensersatzforderungen.

Nutzer-Dezentralität: Innerhalb der Unternehmen und ihrer Prozessketten stellt die dezentrale Nutzung der Cloud Technologie bekanntlich ein besonderes Problem dar. Viele Cloud Services sind höchst einfach und ohne größere IT-Kenntnisse zu implementieren. Dabei werden die üblichen IT-Beschaffungsprozeduren, sei es aus Zeitgründen oder aufgrund mangelnder Abstimmung, von Mitarbeitern häufig umgangen. Ohne effektive SAM-Kontrollen könnten selbst ganze Geschäftsprozesse durch nicht genehmigte Cloud-Zugriffe oder Lizenzprobleme gefährdet werden.

Systemübergreifende Schnittstellen: Die Befürchtung vieler Unternehmer, in Abhängigkeit von einem großen Cloud-Service-Anbieter zu geraten, ist verständlich. Es dürfte noch lange dauern, bis transnationale Vereinbarungen in der IT-Branche die interoperable Nutzung unterschiedlicher Plattformen wirksam sichern und exklusive Software-Architekturen ausschließen. Es liegt insbesondere im Interesse von mittelständischen Firmen, dass systemübergreifende Schnittstellen in der IT-Branche verbindlich standardisiert und damit unkomplizierte Geschäftsbeziehungen zu unterschiedlichen Anbietern garantiert werden. Doch gerade derjenige, welcher diesen Freiraum nutzen will oder muss, bleibt zugleich auf ein professionelles Software Asset Management angewiesen. Ohne SAM würden viele kleine und mittlere Unternehmen auf diesem unübersichtlichen Terrain schnell den Überblick über divergierende Lizenzverpflichtungen und Vertragskonditionen verlieren.

Fazit: Cloud Services bringen mittelständischen Unternehmen Kosten-, Effizienz- und Innovationsvorteile. Nicht zuletzt tragen sie dazu bei, dass die Einstiegshürden für neue Geschäftsformen und Unternehmen gesenkt werden. Doch gleichzeitig verlangen sie fortlaufende und flexible SAM-Prozesse, welche die vollständige Lizenzierung belegen, Software-Kosten und Haftungsrisiken minimieren. Cloud Computing ist kein Argument gegen, sondern für Software Asset Management.